Poljak Wlassowetz

 

Mirovia. Roman


Hardcover
240 Seiten

ISBN: 978-3-944122-10-6
22,00 Euro (D), 22,60 Euro (A)

Buch kaufen   E-Book kaufen


Liegt im finsteren Abgrund des Ozeans unser Ursprung verborgen?

Am 23. Januar 1960 wagen der Schweizer Ozeanograf Jacques Piccard und der amerikanische Marineleutnant Don Walsh im Tauchboot der Trieste den Abstieg in den mit 11.000 Metern tiefsten Schlund des Meeres, den Marianengraben. Sie sind die Gegenspieler bei der Erkundung des Meeres, die in den 1960er Jahren parallel zur Entdeckung des Weltraums läuft: Wissenschaftlicher Erkenntnisdrang gepaart mit Hochstaplertum und Zynismus treffen auf mächtige militärische und finanzielle Interessen.
Mit an Bord des Schleppschiffes Wandank sind Piccards neapolitanischer Freund Buono und die Geliebte Walshs, die Schauspielerin Sara Cocytus. Sie werden zum irdischen Liebespaar, während Piccard und Walsh bei ihrem Tauchgang Meter um Meter ihren zentralen Wünschen und Ängsten entgegensinken.

Mirovia, der Urozean, der vor tausend Millionen Jahren die gesamte Welt umgab.

Eine Reise in die fremdartigste Tiefe als Versuch der Selbsterkenntnis. Ein Roman, der nicht in die unendlichen Weiten des Alls, sondern in die Tiefen unseres Ursprungs vordringt.


Buch kaufen   E-Book kaufen


Ausschnitt aus einer Mirovia-Performance mit Poljak Wlassowetz und Cris Koch:


LESEPROBE:

»Schmecken Sie das Eisen auf Ihrer Zunge?«, fragte Piccard und versicherte sich des Aromas an seinem Gaumen. Kein Blut schien in seinem Mund zu fließen und der Ursprung des Metallenen blieb ihm unerklärlich. Sich leicht nach vorne beugend roch er an der Eisenkugel, um den wahrnehmbaren Geschmack mit dem Geruch des Bathyskaphgehirns vergleichen zu können. Ohne Zweifel, rohes Eisen.
»Fühlen Sie sich unwohl, Jacques?«, erkundigte sich Walsh fast fürsorglich und wunderte sich über sein Mitgefühl. Sein Gesicht unablässig in den schwarzen Kosmos gerichtet hielt Piccard Ausschau nach dem Meeresgrund, als ob er dem Echolot zuvorkommen könnte. Das kühl lächelnde Gesicht von Walsh blieb ihm im Suchrausch verborgen. Froh keinen Meeresboden zu vernehmen, drängte es Piccard, immer tiefer und tiefer zu fallen. Ihm war, als gingen seine Synapsen und Rezeptoren einem Eigenleben nach, als versuchten sie ihn verführend zu versklaven.
Eine schattige Gestalt schien am Bullauge vorüber zu huschen und ihm zum Nachfolgen zu locken. Piccards Herzschlag sprang vom Schreck aufgescheucht umher. Zur Beruhigung strich er mit beiden Handflächen über sein eisiges Gesicht und erst durch das Besinnen auf seine eigene Gegenwärtigkeit wurde er seiner Gedanken vorübergehend wieder Herr.
»Glauben Sie, das Meer kennt unsere Angst?«, fragte er, sich selbst versichernd, dass nur die rohe Kälte ihm Sorgen bereiten würde und er wohlauf war.
»Wovon sprechen Sie, Jacques? Ich kann Ihnen nicht folgen«, antwortete Walsh in seiner nüchternen Gelassenheit, dankbar für die in ihm zirkulierenden, wärmenden Überreste des Whiskys.
»Verstehen Sie denn nicht, Don, dass das Meer uns ergründet? Es sucht nach unserer Schwäche, als wollte es verhindern, dass wir ihm sein Geheimnis entreißen. Was glaubt es denn, was uns zum Erschaudern führen könnte? Etwa die dunkle Ewigkeit? Oder die salzige Last, der wir uns unterwerfen müssen und die uns mühelos in die eigene Entfremdung treibt? Hinein in seine Gurgel, die sich so unersättlich nach uns verzehrt! Ich sage Ihnen, Walsh, der Wohlstandsmensch leidet an drei wesentlichen Ängsten: Er fürchtet sich vor dem Alleinsein, dem Versagen und dem Tod. Wir dagegen, Sie und ich, sind befreit von diesen zerstörenden Wehklagen. Die See täuscht sich. Wir leiden nicht an derlei Albernheiten und schrecken auch nicht schüchtern vor dem Gedanken zurück, dass unsere Vollendung womöglich am Grund auf uns lauern könnte.«
Walsh konnte dem wirrer werdenden Gerede Piccards nicht mehr folgen. Was wollte er überhaupt von ihm? Wollte er ihn etwa dazu herausfordern die Geduld zu verlieren, um so die Operation Nekton voreilig zu beenden und die Mission scheitern zu lassen? Lange hatte Walsh in den letzten Monaten darüber nachgesonnen, ob es wirklich von Nöten war, Piccard auf die ihm nun bevorstehende Weise in der Liebe zu belehren. Selbst auf der in den Wogen stampfenden Wandank war er sich noch unsicher gewesen und hatte unmittelbar vor dem Übersetzen auf die Trieste daran gedacht, den Revolver einfach in seiner Kabine ruhen zu lassen. Sollte er wirklich das eigene Leben für das eines Betrügers und seiner Gefährtin dahingeben? Erst die gefühlsrohe Offenbarung der Frau, die er zu lieben glaubte, hatte für die endgültige Versiegelung seines Vorhabens gesorgt. Sechs Kugeln sollten der bereinigenden Vergeltung Diener sein und die Trieste allein an die Oberfläche zurückbefördern.


REZENSION:
»Nach langen Vorbereitungen treten am 23.01.1960 der Schweizer Ozeanograf Jacques Piccard und der US-amerikanische Marineleutnant Don Walsh an Bord des Bathyscaphen ›Trieste‹ ihre Tauchfahrt in den 11.000 m tiefen Marianengraben im Pazifik an. … Während an Bord eines Schleppschiffs Piccards italienischer Freund Buono und die Schauspielerin Sara als Walshs Geliebte den Tiefenversuch verfolgen, gestaltet sich der mehrstündige Abstieg ins Meeresdunkel zu einem Wort- und Gedankengefecht über Erfolg, Liebe, Zweisamkeit und Besessenheit. Erzählt aus zwei Blickwinkeln und mit Rückblicken, ist dem Berliner Autor mit dem Debütwerk ein sehr lesenswerter moderner Wissenschafts- und Abenteuerroman auch mit literarischem Tiefgang gelungen.«
– Jürgen Seefeld, ekz-Bibliotheksservice