Lesungen als Publikumsrenner

Das Phänomen ist nicht neu, war aber nie so erfolgreich wie jetzt: Jede Woche präsentiert in Leipzig eine andere Gruppen von jungen Autoren auf Lesebühnen ihre meist kurzen, skurrilen, witzigen Texte – und die kleinen Lokale mit ihren improvisierten Bühnen sind randvoll, obwohl sogar meist Eintritt verlangt wird.

In der »Wärmehalle Süd« die inzwischen erfahrenen Cracks der Lesebühne Schkeuditzer Kreuz – Franziska Wilhelm, Julius Fischer, Hauke von Grimm, Michael Schweßinger, André Herrmann und Kurt Mondaugen –, im »Noch Besser Leben« die Lesebühne West – wieder mit Schweßinger und Mondaugen, dazu Roman Israel, Matthias Spengler und Hauke von Grimm, und auch, beide kostenlos, im etwas abgelegenen »hinZundkunZ« das Leseforum com.dichter oder die Lesungen der DLL-Studenten im »mzin«, dazu Poetry Slams, etwa in der »Distillery« oder im »Kaffee Schwarz«: überall drängelt sich ein junges, hoch konzentriertes und für alle Texteskapaden offenes Publikum. – In Berlin anscheinend eine ähnliche Entwicklung, so immerhin der Artikel in der taz über die Berliner »Königin der Lesebühnen«, Lea Streisand.

Ein arrivierter Autor wie Max Goldt füllt in Leipzig den relativ großen Saal in der Schaubühne Lindenfels an zwei Tagen hintereinander, obwohl für den Eintritt immerhin 14,50 Euro zu berappen sind. Diese erstaunliche Offenheit für das gesprochene Wort ist ein Signal für die Literatur, vielleicht auch für Verlage, wenn sie mit ihren Büchern an dieses Interesse andocken können: Denn es scheint, als ob zumindest die Schriftsteller sehr schnell, ja im voraus, von der Musikbranche gelernt hätten. Obwohl die kostenlose Weitergabe ihrer Produkte, sprich Bücher, mit Hilfe von E-Books in Deutschland erst ansatzweise begonnen hat, stellen sich die Autoren offenbar bereits auf eine Zeit ein, in der sie einen nicht unwesentlichen Teil ihres Einkommens aus öffentlichen Auftritten bestreiten müssen, weil Einkünfte aus Buchverkäufen wegbrechen.

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