Für Autoren, Lektoren und Übersetzer überaus lehrreich – und ein Genuss dazu: Den gerade im Fischer-Verlag erschienenen Erzählungen-Band »Beginners« von Raymond Carver parallel lesen mit der von seinem Lektor Gordon Lish stark überarbeiteten Fassung »Wovon wir reden, wenn wir von Liebe reden« (engl. 1981, dt. Berlin 2000).
Paul Ingendaay schreibt dazu in seinem Artikel »Sein Lektor machte ihn zum Markenartikel«, in der FAZ vom 27.4.2012:
Die frühe Version ist gut doppelt so lang wie die veröffentlichte Lektoratsfassung. Bei manchen Geschichten strich Lish vierzig Prozent, in zwei Fällen sogar fast vier Fünftel des Originals. Er änderte den Plot, vereinfachte das Vokabular, verknappte die Dialoge, eliminierte Reflexionen, Abschweifungen und Binnengeschichten; drei Viertel aller Stories erhielten unter seinen Händen einen neuen Schluss. Seine Homogenisierungsarbeit ist ein Meisterwerk.
Fast alle coolen, manchmal schrägen und sonderbar leuchtenden Titelzeilen sind das Werk von Gordon Lish.
»Sag den Frauen, wir gehen« heißt eine frühe Erzählung, die ich seinerzeit – in der Lish-Version – unangenehm und auf perfide Weise ideologisch fand. … Carvers Original mag weniger lakonisch sein, aber diskreter und in meinen Augen die bessere Story.
Bernadette Conrad dazu in ihrem Artikel »So unheimlich wie nie zuvor« in der Zeit vom 24. Mai 2012, S. 48: